Die Einführung einer elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist für Mitte 2022 geplant. Unternehmen sollten sich schon jetzt auf die Umstellung bei der Krankschreibung vorbereiten. Was ändert sich für Arbeitgeber und was gilt es zu beachten?
Ab 1. Juli 2022 ist es so weit: Arbeitnehmende müssen dann ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht mehr beim Arbeitgeber vorzeigen. Stattdessen stellen die Krankenkassen die entsprechenden Arbeitsunfähigkeitsdaten elektronisch zur Verfügung. Die Einführung einer elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat der Bundestag bereits am 18. September 2019 im Bürokratieentlastungsgesetz III beschlossen. Ursprünglich sollte sie bereits zum 1. Januar 2022 starten. Der Termin wurde auf den 1. Juli 2022 verschoben. Viele Unternehmen wissen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht, wie die Umsetzung in der Praxis erfolgen soll.
Einführung der elektronischen AU-Bescheinigung birgt Herausforderungen
Das hat eine Blitzlichtbefragung der Deutsche Gesellschaft für Personalführung (DGFP) zum Thema elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) ergeben. 75 Prozent stehen danach erst am Anfang der Umsetzung, knapp 50 Prozent können zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Einschätzung geben. Der Großteil der Befragten, 63 Prozent, plant das eigene Payrollsystem an den GKV Kommunikationsserver anzubinden. Insgesamt gebe es noch zu wenig Information zu den beteiligten Systemen, Organisationen und Schnittstellen, beklagt Kai Helfritz von der DGFP. Auch fehle es an detaillierten Prozessabläufen und Best Practice Beispielen.
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Digital ersetzt Papier
Zurzeit wird der Arbeitgeber noch über die ärztliche Krankschreibung des Arbeitnehmers informiert, indem dieser die typische gelbe Bescheinigung vorlegt oder per Post schickt. Die Einführung einer elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung soll Unternehmen und Mitarbeitende künftig entlasten – der gelbe Schein wird jedoch auch zukünftig nicht ganz passé sein.
Worauf müssen sich Arbeitgeber einstellen? Seit Oktober 2021 sind Ärzte bereits prinzipiell verpflichtet, die Krankschreibungen in einem elektronischen Verfahren an die Krankenkassen zu übermitteln.
Digitale Übermittlung durch die Krankenkassen
In einem zweiten Schritt sollen dann ab 1. Juli 2022 die Arbeitgeber digital über Beginn und Dauer der Arbeitsunfähigkeit ihrer gesetzlich versicherten Arbeitnehmenden informiert werden. Ebenso darüber, wann die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ausläuft. Die Krankenversicherung, die ohnehin die Daten durch den Arzt erhält, soll die AU-Daten zum Abruf bereitstellen.
Abrufverfahren mit den Krankenkassen
Sofern der Arbeitgeber Kenntnis erlangt, dass der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin beim Arzt war und dieser eine Arbeitsunfähigkeit festgestellt hat, ist er berechtigt, die Daten bei der Krankenkasse abzurufen. Dieser Abruf erfolgt mit dem Entgeltabrechnungsprogramm. Die elektronischen Daten des Arztes, die bei der Krankenkasse vorliegen, liegen nach dem Abruf in elektronischer Form im Abrechnungsprogramm vor.
Digitale Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Umstellung in Unternehmen nötig
Durch den Wegfall des gelben Zettels müssen Unternehmen ihren bisherigen Prozess neu bewerten. Bislang war es nicht unüblich, dass auf Grundlage der AU-Bescheinigungen entsprechende Fehlzeiten in der Zeiterfassung gespeichert wurden. Künftig müssen auf Grundlage der Krankmeldung des Mitarbeitenden proaktiv die AU-Daten von der Entgeltabrechnung abgerufen werden. Soweit der Mitarbeitende sich in der Produktionseinheit krankgemeldet hat, müssen Maßnahmen ergriffen werden, damit diese Information zeitnah – und im Idealfall in elektronischer Form – die Abrechnung erreicht.
Herausforderungen bei Steuerberatern und dienstleistenden Rechenzentren
Eine richtig harte Nuss haben die beauftragten Stellen zu knacken. Diese müssen künftig sicherstellen, dass sie vom Mandanten Informationen darüber erhalten, welche Arbeitnehmenden sich krankgemeldet haben und wer davon länger als drei Tage krank sein wird, sofern keine Verpflichtung besteht, bereits ab dem ersten Tag die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt feststellen zu lassen. Abhängig von dieser Information müssen dann die AU-Daten bei den Krankenkassen abgerufen werden.
Krankmeldung: Vorlagepflicht entfällt, Meldepflicht bleibt
Beschäftigte sind grundsätzlich ab dem dritten Tag ihrer Arbeitsunfähigkeit verpflichtet, dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Der Arbeitgeber darf sogar am ersten Tag ein Attest fordern. Immer wieder kommt es in der Praxis zu Auseinandersetzungen darüber, ob die AU-Bescheinigung pünktlich vorgelegt wurde. Diese Pflicht des Arbeitnehmenden zur Vorlage entfällt künftig.
Was allerdings – zumindest vorerst – bleibt, ist ein Zettel, den der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin vom Arzt erhält: eine Papierbescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit als gesetzlich vorgesehenes Beweismittel. Außerdem haben Mitarbeitende weiterhin die Pflicht, dem Arbeitgeber ihre Arbeitsunfähigkeit zu melden und diese ärztlich feststellen zu lassen.
Störfälle kennen und richtig reagieren
Dieses Beweismittel ist insbesondere dann relevant, wenn im Verfahren ein Störfall vorliegt. Neben technischen Problemen funktioniert das Verfahren auch dann nicht, sofern der Arbeitnehmende aufgrund eines Krankenkassenwechsels beim Arzt die ungültige Chipkarte vorlegt. Diese Störfälle sollen durch optimale Rahmenbedingungen in der Arztpraxis möglichst vermieden werden. Dennoch müssen Arbeitgeber in diesen Fällen aufklären, aus welchem Grund der Abruf bei der Krankenkasse nicht funktioniert.
Kein vollständiger Umstieg im Verfahren
Arbeitgeber, Steuerberater und dienstleistende Rechenzentren müssen überdies beachten, dass trotz der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die „alte Welt“ bei bestimmten Lebenssachverhalten weiter bestehen bleibt. Das neue Verfahren gilt nicht für privat krankenversicherte Arbeitnehmende. Überdies ist noch unklar, ob der Gesetzgeber die Zeiten der stationären Behandlung mitberücksichtigen wird. Insoweit muss vor einem Abruf auch geklärt werden, ob Daten bei der Krankenkasse vorliegen können.
Besonderheiten bei Minijobs
Bei geringfügig Beschäftigten sind Meldungen und Beitragsnachweise nicht an eine Krankenkasse, sondern an die Minijob-Zentrale zu senden. Die Krankenkasse ist bislang bei den Aushilfen irrelevant und in der Regel dem Arbeitgeber nicht bekannt. Aber auch für diese Arbeitnehmenden liegen die AU-Daten bei der Krankenkasse. Angedacht ist derzeit, dass Arbeitgeber die AU-Daten über die Minijob-Zentrale bei der Krankenkasse abrufen. Hierfür müssen Arbeitgeber vorab in den Meldungen an die Minijob-Zentrale die zuständige Krankenkasse angeben. Für das Verfahren ist es künftig erforderlich, bei Einstellung einer Aushilfe die Krankenkasse abzufragen.
Weniger Bürokratie und weniger Konflikte zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Vorausgesetzt, dass überall die entsprechenden technischen Voraussetzungen vorliegen, werden mit der Einführung der elektronischen AU-Bescheinigung nicht nur der bürokratische Aufwand, den die manuelle Bearbeitung und Übermittlung papiergebundener Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erfordert, minimiert. Es können so auch Konflikte zur Frage, ob die AU-Bescheinigung rechtzeitig vorlag, zukünftig vermieden werden.
Häufig gestellte Fragen:
1.) Benötigen Unternehmer nun neue Programme die den Service ermöglichen ?
- Nein, dieser „eAU-Service“ wird direkt als Modul in DATEV (und alternative Anbieter) eingebunden, eine zusätzliche Software ist nicht nötig.
2.) Was ist Datenschutzrechtlich zu beachten ?
- Für den Unternehmensprozess „eAU-Service“ muss ein neuer Eintrag im VVT (Verzeichnis der Verarbeitungs-Tätigkeiten) erstellt werden. Oder zumindest der Allgemeine Unternehmensprozess „Personalwesen“ durch einen Unterpunkt ergänzt. Rechtsgrundlage für die Verarbeitung ist Art. 6 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit dem Bürokratieentlastungsgesetz III.